Ich liege noch im Zelt und die Sonne weckt mich mit ihren ersten warmen Strahlen und im Hintergrund rauscht der Fluss. Es ist der 2.1.2020 und ich könnte mir einen schlechteren Jahresstart vorstellen. Gestern habe ich ausgiebig die Ausrüstung und das Motorrad gewartet.
Als ich mich von Klaus verabschiedet habe, geht es über die legendäre Ruta Nacional 40 weiter Richtung Norden. Die Ruta 40 ist mit 5301 km die längste Nationalstraße Argentiniens und gleichzeitig eine der längsten Fernstraßen der Welt. Sie ist neben der Panamericana die bekannteste Fernstraße auf dem südamerikanischen Kontinent.
In langen Abschnitten führt sie aber wie eine Autobahn sehr langweilig durch die Landschaft. Es gibt aber auch sehr schöne Abschnitte, wie diesen hier auf dem Weg nach Bariloche. Kurvenreich und gut asphaltiert macht das Reisen mit dem Motorrad hier viel Spaß. Sehr viel habe ich über die Provinzhauptstadt gelesen und freue mich auf das schöne Örtchen und die außergewöhnliche Lage zwischen mehreren Seen. Das Erwachen ist grausam. Eine vom Tourismus durch und durch geprägte Großstadt mit 150.000 Einwohnern und fast noch einmal so vielen Touristen zerstört jeglichen Flair. Die Straßen sind verstopft, Parkplätze gibt es kaum und es reiht sich ein Campingplatz neben die hundertste Burger-Bude. Es ist ein Treiben wie am Gardasee zur Hochsaison. Nichts geht mehr. Eigentlich will ich mir mehrere Sehenswürdigkeiten ansehen, bleibe aber immer im Verkehr stecken. Der Lüfter von meiner Africa Twin springt an und ich beschließe, auf kürzestem Wege die Touristenhochburg zu verlassen. Das Thermometer zeigt mittlerweile 28’C an und der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Als ich die Stadt passiert habe, genieße ich noch den einen oder anderen traumhaften Blick über die Seen auf die schneebedeckten Berge. Nach 100 km biege ich dann wieder auf eine kleine Schotterstraße in Richtung des Nationalparks Nahuel Huapi ab. Ich freue mich auf die kleine Straße und die Einsamkeit. Aber auch hier wimmelt es von entgegenkommenden PKWs, die den Weg in eine staubige Wolke hüllen. Zwei Stunden fahre ich, als ich endlich den See Lago Traful erreiche. Der Staub der letzten Stunden sitzt überall und ich freue mich auf eine Dusche und eine kalte Dose Bier, die die trockene Kehle spült. Ich muss wieder auf einen Campingplatz ausweichen, da das wilde Campen in Nationalparks verboten ist. Mit ein wenig Glück finde ich aber einen kleinen privat geführten Platz und mein Zelt wird direkt am See aufgebaut.
Am nächsten Morgen beschließe ich, sehr früh zu starten, um den staubigen Weg allein für mich zu haben. Eine schöne Aussicht jagt die nächste und ich halte sehr häufig an um Fotos zu machen. Als sich die Frage stellt, ob ich den Weg weiterfahre oder eine Umfahrung auf kurvigem Asphalt nehme, ist die Entscheidung schnell getroffen. Zügig rollt der gute Fahrbahnuntergrund unter meinen grobstolligen Reifen und in Schräglage höre ich das hochfrequente Sirren des Profils. Die Straße führt direkt nach Osten, wo sich nach wenigen Kilometern die Landschaft komplett ändert. Plötzlich befinde ich mich in einer wüstenähnlichen Umgebung und sämtliches Grün der letzten Tage ist verschwunden. Die Landschaften und Klimazonen wechseln hier innerhalb von wenigen Minuten. Die Temperatur steigt auf über 33’C und ich freue mich am Mittag wieder in Richtung Berge zu fahren. Gegen Nachmittag finde ich dann den Einstieg in den nächsten Nationalpark und werde wieder von dem aufgewirbelten Staub der entgegenkommenden Fahrzeuge eingepudert. Hier im Huilo Huilo Reserva Biológica sind fast alle Campingplätze ausgebucht. Trotzdem finde ich wieder ein traumhaftes Plätzchen mit einer privaten Badebucht am Lago Lácar. Ruhig liegt der See vor mir, als ich mir mein Abendessen zubereite. Fische springen im See, mehrere Raubvögel sitzen unweit auf alten knochigen Bäumen und die Sonne geht hinter den Bergen unter. Kurzerhand beschließe ich hier einen Ruhetag einzulegen. Schöner kann es kaum sein. Als ich in meinen Schlafsack krieche und mein Blick auf das Innenzelt fällt, erschrecke ich. Hunderte kleiner Tiere befinden sich auf der Außenseite meines Innenzelts. Ich öffne den Reißverschluss und sehe nach, um was es sich dabei handelt. Eiskalt läuft mir ein Schauer über den Rücken, als ich feststelle, dass es sich um eine Art von Zecken handelt. Kleine schwarze Zecken mit einem Durchmesser von 4-5 mm wimmeln in meinem gesamten Vorzelt. Ich hasse Zecken und bin froh, dass sich all mein Equipment im Innenzelt befindet, welches ich hermetisch abriegeln kann. Schnell verschließe ich den Schlafraum und lege mich mit einem unguten Gefühl unter das Gewimmel. Es juckt mich am ganzen Körper und die Nacht ist geprägt von einem sehr unruhigen Schlaf. Als ich aufwache, ist keines der Krabbeltiere mehr zu sehen und ich atme auf. Den Ruhetag verbringe ich mit kleinen Wanderungen und einem kräftigen Mittagsschlaf im Halbschatten der uralten Bäume. Am Abend sehe ich stundenlang einem Fliegenfischer zu, der die Technik des Werfens perfekt beherrscht. Mit grazilen Peitschenhieben platziert er seinen Köder genau da, wo er die Fische vermutet. Wenn ich mal die Möglichkeit bekomme, würde ich das gerne auch mal lernen.
Der nächste Morgen ist stark bewölkt und es sieht nach Regen aus. Die angenehmen Temperaturen von gestern sinken auf einen einstelligen Betrag. Von hier ist es bis zur argentinisch-chilenischen Grenze nur 7 km. Schnell sind die Formalitäten erledigt und bald befinde ich mich am Ende der Straße, von wo nur noch eine Fährverbindung das Weiterkommen ermöglicht. Als ich in einem bequemen Sessel der Fähre sitze, fängt es heftig an zu regnen und die Schönheiten der Umgebung bleiben mir ein weiteres Mal verborgen. Nach knapp 2 Stunden verlasse ich den Wasserweg und bewege mich weiter Richtung Norden auf ausgewaschenen Pisten. Das Fahren ist sehr anstrengend und zum Überfluss regnet es auch noch. Eigentlich will ich hier an einem kleinen Fluss zelten, verwerfe aber das Vorhaben und beziehe am Abend ein sauberes Zimmer bei einer freundlichen Familie. Die Tochter spricht Englisch und ich helfe beim Kuchenbacken.
Das nächste Ziel ist der Vulkan Illama der sich inmitten des Conquillo NP befindet und der das letzte Mal 2008 ausgebrochen ist. Der Conquillo NP ist einer der abwechslungsreichsten NP und bietet von Vulkanlandschaften, riesigen erkalteten Lavaströmen, blauen Lagunen bis hin zum Hochnebelwald alles was das Herz begehrt. Ich habe Pech und dicke graue Wolken lassen mich nur einen Bruchteil davon erleben. Die Strecke führt durch einen uralten Nebelwald, der mystisch zwischen den Wolkenfetzen liegt. Eine Kulisse bietet sich mir, wie zu Zeiten der Dinosaurier.
Baumhohe Farne, Lavageröll und Drachenbäume säumen den Weg. Ich bin ein wenig traurig, dass ich den Vulkan nicht zu Augen bekomme, freue mich aber trotzdem, dass ich diesen Park durchfahre. Bei Sonnenschein muss das der Knaller sein.
Schon vor mehreren Tagen bekam ich von Günter, meinem Kontakt in Vina del Mar, die Info, dass er für eine gewisse Zeit nicht zu Hause sein wird und ich meine neuen Reifen erst in zwei Wochen bekommen könnte. Nun habe ich zwei Möglichkeiten. Entweder ich miete mich bei der Wetterlage für eine Woche irgendwo ein oder ich mache die Flucht nach vorne und fahre recht zügig nach Vina del Mar. Da es hier keine Wettergarantie gibt, entschließe ich mich für die zweite Variante.
Nach zwei Tagen bin ich wieder bei Günter und ich kann mich um mein Motorrad kümmern.
Es wird gewaschen und es bekommt eine gründliche Durchsicht sowie die neuen Reifen.
Kurz überlege ich, noch die Alten montiert zu lassen, da sie nach nun mehr als 10.000 km noch gute 30 % ihres Profils haben. Da ich nun aber in Richtung Atacama-Wüste aufbreche, entscheide ich mich für die neuen Reifen mit dem deutlich besseren Profil.
Der Rüsttag bei Günter vergeht viel zu schnell um und ich schaffe es nicht, alles zu erledigen, was ich auf meiner Liste habe. Leider kann ich nicht verlängern, da Günter morgen abreist.
Als wir uns verabschieden, beschließen wir uns in Deutschland wiederzutreffen. Günter wird Chile für immer verlassen und nach Europa zurückkehren. Die südamerikanische Mentalität und viele andere Umstände machen hier ein Leben nicht einfach. Alles ist recht umständlich und dauert Ewigkeiten. Das merke ich zum Beispiel, als ich meine Reifen montieren lassen will. Ich fahre zu drei Motorradläden und zu vier Reifenhändlern, bis ich jemanden finde, der die passende Montiermaschine hat. Aber Motorradreifen werden hier nicht häufig aufgezogen und so dauert es fast drei Stunden bis die Arbeit erledigt ist. Das liegt unteranderem daran, dass der Monteur noch nie etwas von einer Laufrichtung gehört hat und er die Reifen falsch herum aufgezogen hat. Als er dann die Reifen richtig herum aufgezogen hat, hat er leider die Schläuche vergessen. Ich beschließe darauf hin, dem etwas überforderten Mitarbeiter unter die Arme zu greifen und erkläre ihm noch das eine oder andere.
Der nächste Fahrtag folgt der Küstenstraße, die sich hier wild schlängelnd in die Natur eingepasst hat. Ich passiere den Ort Zapallar wo sich die „Reichen und Schönen“ Chiles niedergelassen haben. Der kleine Ort hat ein Flair wie San Tropez und ist mit unglaublichen Villen bebaut. Es fahren die ersten Edelkarossen auf den sauberen Straßen und die Highsociety trinkt Schaumwein in Strandcafés. Hier merkt man nicht, dass Chile ein sehr armes Land ist, und die Probleme der übrigen Bevölkerung sind hier endlos weit weg.
Abends finde ich einen schönen Campingplatz direkt am Meer. Er hat Internet, Hängematten mit Blick aufs Meer, ein kleines Restaurant und mein Zelt steht nur 50 m vom Pazifik entfernt auf schönen weißen Sand. Als ich in der Abendsonne sitze, beschließe ich hier einen Tag länger zu bleiben und meine restlichen Arbeiten meiner „to-do“ Liste abzuarbeiten und ein wenig zu chillen.
Morgen werde ich in Richtung Argentinien aufbrechen und den 4620 m hohen Aqua Negro Pass befahren. Die Straße windet sich innerhalb von 100 km auf die atemraubende Höhe und ich überlege, unterwegs mindestens eine Nacht der Akklimatisierung einzulegen. Es wird das erste Mal sein, dass ich auf meiner Reise in diese Höhe aufsteige, und ich möchte der Höhenkrankheit vorbeugen. Ich bin gespannt, wie mein Körper auf die dünne Luft reagieren wird, denn in den nächsten Wochen wird diese mein ständiger Begleiter sein. In den letzten Wochen habe ich mit vielen Reisenden gesprochen und es gab auch Fälle, bei denen die Reiseroute aufgrund der Höhenkrankheit geändert werden musste. Es bleibt also weiter spannend….
3 Antworten zu “#14 durch die NP Patagoniens”
Hallo Danni,
wieder einmal ein sehr schönes Kapitel und stimmungsvolle Bilder !
Da freut man sich gleich auf den nächsten Bericht . 😉
Ich wünsche Dir weiterhin eine schöne und sichere Reise.
Gruß !
Achim
Hallo Danni, ein sehr schöner Bericht, du scheinst ja viel Spass zu haben. Ich wünsche dir noch eine gute Fahrt.
Hi Danni,
fantastische Reiseberichte, die Du schreibst; die Fotos, die Texte, alles toll gelungen.
Wir sind begeistert!!
Liebe Grüße vom Ahli.
P.S.: mach‘ weiter so!!